2020
"Daham in Tausendblum..." singt der Capellmeister.
Und so ist es. Das Atelier 1000blum befindet sich in der Tausendblumer Gasse im - kein Fake - Ortsteil Tausendblum in Neulengbach. Unser Wohnplatz ist eine Oase inmitten der Ortschaft: ein riesiger Naturgarten, Wiese, Wald, Wildnis, Enten im Gemüsegarten, Fuchs und Dachs sagen gute Nacht. Hier sind wir seit über 20 Jahren zu Hause, hier leben und arbeiten wir.
Für die Keramik-Serie 1000blum verwende ich hauptsächlich den sogenannten weißen Ton (der ist nicht richtig weiß, eher naturfarben, aber jedenfalls deutlich heller als roter Ton). Als Ergänzung und zum Kombinieren gibt es auch einige Teile aus rotem Ton mit naturweißer Glasur. Die Formen sind weich und organisch, die Farben eher kühl. Als Dekor haben alle Stücke aus dieser Serie Stempel-Ornamente. Verspielt, fast elegant, ein bisschen "Vintage"... Einzelstücke, die zum täglichen Gebrauch einladen.
Tiñor
Wisst ihr, was Tiñor ist? Nein? Macht nichts. Tiñor ist die kleinste Ortschaft auf der kleinsten Insel der Kanaren. Mitten im Atlantik. Dort steht das schönste Haus der Welt. Unser Haus. Unsere zweite Heimat.
Und wisst ihr, was Tiñor noch ist? Nein? Macht auch nichts. Tiñor ist der Name einer Keramikserie. Einer Serie von Gebrauchsgeschirr aus meinem Atelier.
Und wisst ihr, warum? Weil die Farben und Formen von Tiñor sich auf der Keramik wiederfinden. Weiche, organische Formen in sanften Farben. Das Braun der Lavaerde. Das Grün der Pflanzen. Das Blau des Meeres und des Himmels. Das Weiß des Nebels und der Gischt. Schaut euch die Bilder an - dann wisst ihr es.
Neulengbacher Keramik
Das Schaf ist das Wappentier von Neulengbach. Demnach fühlen wir Neulengbacher uns als Schäfinnen und Schäfs. In unseren regionalen Netzwerken bringen wir diese Verbundenheit auf den Punkt: Jeder tut was und soviel er gut kann, weil gemeinsam ist alles sowieso viel einfacher.
Für die Neulengbacher Keramik verwende ich recycelten Ton: Bei der Arbeit an der Töpferscheibe fallen viele Reste an, die meist entsorgt werden. Nicht so in 1000blum! Ich bereite sämtliche Tonreste wieder auf und verarbeite sie weiter. Es entsteht eine Tonmischung mit lebendiger Struktur und warmer Farbtönung. Nicht immer ganz gleichmäßig, aber das macht die Arbeiten so individuell.
Ton ist ein im Sinne der Nachhaltigkeit ideales Material: Solange er nicht gebrannt ist, ist er immer wieder verwertbar.
Die Formen sind schlicht und organisch, die Farben natürlich: erdiger Ton kombiniert mit weißer Glasur. Als Dekor haben alle Stücke aus dieser Serie das Schaf aufgestempelt (meist sind es mehrere, Schafe lieben ja das Herdenleben).
Porzellan
Porzellan ist ein sehr kostbares, empfindliches Material mit hohen Ansprüchen. Es fordert höchste Aufmerksamkeit und ein "ganz bei sich sein".
Das Drehen von Porzellan begleitet mich immer wieder, ganz ohne den Anspruch der Produktion, als Experiment und als ein Prozess der Selbstfürsorge.
Porzellan, "das weiße Gold" ist eine ganz spezielle Tonmasse mit sehr speziellen Eigenschaften: sehr fein, sehr weich, aber auch sehr spröde. Porzellan muss man mit viel Sorgfalt verarbeiten. Langsam, konzentriert. Viel empfindlicher als Ton. Viel anspruchsvoller.
Geht es uns zur Zeit nicht oft genauso? Alles viel langsamer, viel empfindlicher, viel anspruchsvoller?
Wir können versuchen, zu lernen, auch mit uns selbst so aufmerksam umzugehen wie mit einem besonders kostbaren Material...
Ich möchte hier versuchen, euch diesen Prozess näher zu bringen, in Worte zu fassen, was sich jenseits der Worte befindet. Denken mit den Händen. Schauen mit den Fingern. Körper und Geist im Einklang mit dem Material.
„Prognosen sind sehr schwierig,
vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“
ev. Mark Twain, Winston Churchill, oder vielleicht auch Kurt Tucholsky...
Tiñor es el pueblo mas pequeñode la isla mas pequeña de las Canarias.
... wo wir abtauchen, um aufzutanken...
(ihr wisst schon, das schönste Haus der Welt...)
Es gibt hier einen Ort, Albarrada.
Nicht weit von Tiñor.Man geht eine Weile auf dem Hauptwanderweg,an den Wasserbecken entlang,dann an den Kühen vorbei. Dann biegt man links ab.
Und nach ein paar Metern fällt einem die Stille auf.Es riecht nach Eukalyptus.
Man steht inmitten alter Steinmauern.
Unwillkürlich geht man langsamer.
Atmet tiefer.
Es gibt keinen Wind hier.
Nur Stille.
Vielleicht ein paar Bienen.
Auch Schafe. Die stören die Stille nicht.
Dieser Ort ist unbewohnt. Schon seit vielen Jahren.
Einstmals war er ein Wohnplatz.
Geschützt zwischen den Hügeln kann man immer noch die Mauern der Häuser erkennen. Viele Häuser.
Man kann sich gut vorstellen, wie hier Frauen und Männer leben. Und Kinder. Wasser holen. Feuer machen. Schafe hüten. Käse machen.
Auch töpfern vielleicht.
Sehr wahrscheinlich sogar.
Es ist ein guter Platz zum Wohnen.
Ein friedlicher.
Einer, der sich wie ein Zuhause anfühlt.
Immer noch.
Und doch ist er verlassen.
Und irgendwie fühlt sich das richtig an.
Für diesen Platz. Für diesen Moment.
Es ist einfach so.
Das Leben geht weiter.
Wir können die Zeit nicht zurückdrehen.
Wir entwickeln uns weiter.
Wir gehen vorwärts.
Es geht gar nicht anders. Und es lässt sich nicht rückgängig machen.
Und ganz ehrlich? Wollen wir das überhaupt?
„Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“ fragt Joachim Mayerhoff.
Und er hat recht.
Ich wünsche uns, dass wir neugierig bleiben, auf das, was kommt.Im Bewusstsein dessen, was war. Aber nicht gefangen davon.
Ich bin nicht weg. Ich bin nur auf der anderen Seite des Weges.
Charles Peguy
Ich baue ja auch Urnen.
Das ist so eine Sache.
Eine Urne zu verkaufen, das geht meistens einfach. Da gibt es ein paar technische Details zu klären, dann wird ausgewählt - ein Verkaufstermin eben.
Sicherlich ein bisschen sensibel, aber doch Routine.
Eine Urne speziell anzufertigen ist schon etwas Anderes.
Da wird es persönlich.
Vor allem, wenn auch ich die oder den Verstorbenen gekannt habe.
Ich baue gerade eine Urne für eine liebe Kollegin, die - viel zu früh -
ganz unerwartet verstorben ist.
Als ich den Termin mit ihrem Mann vereinbart habe, wußte ich noch nicht, um wen es geht. (Die Leute heißen ja heutzutage alle unterschiedlich.)
Als mir dann klar wurde, für wen diese Urne sein sollte, wurde mir zunächst ganz heiß. Ich wußte zwar, und auch das nur zufällig, dass meine Kollegin im Spital war, aber nicht, dass sie verstorben ist.
Wir hatten keinerlei Nachricht erhalten.
Das war ein Schock. Völlig unerwartet.
Ich hatte ja mit einem Verkaufstermin gerechnet.
Es wurde dann aber eine - trotz allen Schmerzes - wunderschöne Begegnung.
Ich bot an, eine Urne speziell anzufertigen, Ehemann und Sohn, die ja zunächst gar nicht gewußt hatten, dass ich die Verstorbene gekannt habe, waren über diese Idee sehr froh, ich hatte fast den EIndruck, sie waren erleichtert, dieses Projekt in meine Hände legen zu können.
Ein paar gestalterische Ideen haben wir ausgetauscht, ein bisschen über die Persönlichkeit und mögliche Wünsche der Verstorbenen geredet.
Man weiß ja oft nicht was man in so einer Situation sagen soll.
Es gibt irgendwie nichts zu sagen. Nichts, das passen würde.
Nichts, das der Situation angemessen wäre.
Und es muss auch nichts gesagt werden.
Es gemeinsam auszuhalten reicht schon.
Für mich fühlt es sich immer wie eine große Ehre an, auf diese sehr persönliche Art am Abschied von einem verstorbenen Menschen
teilnehmen zu dürfen.
In diesen sehr privaten Bereich der Trauer um einen geliebten Menschen eingeladen zu werden sozusagen.
Und wenn ich - wie in diesem Fall - auch selbst betroffen bin,
ist die Beschäftigung mit dem Abschied, die Auseinandersetzung mit der Person und unserer Beziehung und mit mir selbst,
verpackt in den Gestaltungsprozess, etwas ganz Besonderes.
Fast wie eine Zeremonie.
Das Kneten. Das Aufbauen.
Das Fertigstellen.
All diese vertrauten Handgriffe bekommen eine neue Bedeutung.
Es fühlt sich so richtig an. So wertvoll. So sinnvoll.
The first thing you should know about me is that I´m not you. A lot more will make sense after that.
Einige meiner Freundinnen und ich
haben heuer einen
spannenden Prozess begonnen.
Das war nicht unbedingt geplant. Hat sich eher so ergeben.
Wir benutzen einander.
Um voneinander zu lernen.
Ja-Sagen zum Beispiel.
Ja zu uns selbst und unseren Stärken.
Was unsere Schwächen betrifft sind die meisten von uns sehr gut darin,
sie uns selbst vorzuwerfen.
Aber wenn es um das geht, was wir gut können, wird es schon schwieriger.
Bei den Freundinnen ist das viel einfacher.
Da sehen wir gleich,
wie wunderbar die sind.
Und das kann auch den Blickwinkel auf uns selbst verändern.
Auch Nein-Sagen können wir
voneinander lernen.
In einer Freundschaft dürfen wir auch Grenzen setzen.
Wir dürfen anders sein.
Wir dürfen sogar eine andere Meinung haben. Und das auch sagen.
Die Freundinnen hören dann zu.
Und antworten mit ihrer eigenen Meinung.
Da hören dann wiederum wir zu.
Wir lernen dabei voneinander, weil wir oft ähnliche Themen haben.
Das relativiert manches.
Und Austausch tut gut.
Richtiger Austausch.
Jede gibt und jede nimmt. Es muss auch nicht immer gleichzeitig sein.
Das Geben und Nehmen.
Manchmal braucht die eine etwas und die andere hat viel zu geben.
Dann wieder ist es umgekehrt.
Wir lernen aber auch, dass und weil wir anders sind. Jede von uns.
Und dass das eine Bereicherung ist.
Für uns alle.
Weil wir da viel lernen können.
Wie es auch sein könnte.
Wie man Dinge auch betrachten könnte.
Wie man auch sein könnte.
Aber dann bleiben wir doch wir selbst.
Vielleicht ein bisschen bewußter als vorher.
Wir bewundern einander.
Wir wertschätzen einander.
Wir kritisieren einander.
Wir verstehen einander nicht immer.
Wir stärken einander.
Wir berühren einander.
Und alles das in dem Bewusstsein,
dass wir vollkommen unterschiedliche Individuen sind.
Dass wir völlig voneinander verschiedene Leben führen.
Und dass das gut so ist.
Weil wir so sind wie wir eben sind.
Ich wünsche euch Freundinnen und Freunde, wie ich sie habe!
Und dass ihr selbst euch auch solche Freundinnen und Freunde sein könnt!
Was uns nicht berührt, das verwandelt uns nicht
C.G.Jung
Berührung schafft Stabilität.
Um beim Töpfern zu einem guten Ergebnis zu kommen, braucht es viel Kraft.
Natürlich auch Fingerspitzengefühl.
Aber man muss den Ton angreifen.
Nicht nur mit den Fingerspitzen.
Es ist sozusagen unerlässlich, mit dem Material in Berührung zu gehen.
Dabei wird man schmutzig, das ist normal. Manchmal verliert man dabei auch etwas von der Masse, der Ton bleibt an den Fingern haften.
Diese Reste sind für den Moment verloren. Aber nicht für immer.
Ton kann immer wieder aufbereitet werden, es kann immer wieder neues
aus dem Abfall entstehen.
Unwillkürlich kommt man dabei auch mit sich selbst in Berührung.
Mit der eigenen Kraft.
Mit der (möglicherweise fehlenden) Körperspannung.
Mit dem Ärger, weil es nicht klappt, wo es doch so einfach ausgesehen hat.
Mit der unbändigen Freude, wenn ein Gefäß gelingt!
Berührung schafft Stabilität.
Stabilität durch die eigene Körperspannung.
Aber auch Stabilität durch Abstützen.
Wer sich nicht genügend abstützt - in unserem Fall zum Beispiel mit den Knien an der Töpferscheibe - der ist beim Arbeiten unsicher.
Wessen Hände sich nicht gegenseitig berühren, stützen und dadurch stabilisieren, der wird Schwierigkeiten haben, den Ton unter Kontrolle zu halten.
Berührung eben.
Wer die Enttäuschung spürt, wenn der Ton zu dünn wird und reißt, wer sich dann von der Freude berühren lässt, wenn es gelingt, etwas - eine Herausforderung - mit den eigenen Händen und der eigenen Kraft gemeistert zu haben,
der gewinnt Stabilität.
Sicherheit.
Selbstvertrauen.
Gerade jetzt, finde ich, fehlt es uns oft an Berührungen.
Wir dürfen einander nicht die Hand geben. Wir dürfen einander nicht besuchen.
Wir dürfen nicht nebeneinander sitzen.
Oder doch nur mit Einschränkungen.
Das fehlt uns. Das verunsichert uns.
Das Gewohnte, die Stabilität, geht uns ab.
In diesem Sinne:
Berührt! Lasst euch berühren! Seid berührt!