darf man das?
- 9. Juni
- 2 Min. Lesezeit
... schon wieder Montag - Zeit für ein paar lunares!
„… was hat sie nur immer mit ihren lunares?“ mögt ihr euch fragen.
Meine lunares sind nicht nur Tupfen auf Tassen und Schalen.
Das auch.
Sie sind Punkte. Berührungspunkte.
Kleine Erlebnisse, Begegnungen, Gedanken, Gefühle.
Die ich mit euch teilen möchte:
Eines „meiner“ Kinderwerkstattkinder hatte diese Woche Matura.
Spanisch. Da durfte ich zuhören.
Und Kunst. Zur Kunst-Matura hat sie eine Ausstellung
ihrer Keramikarbeiten ganz von Anfang an gestaltet.
Eine Zeitreise für uns beide.
Wir kennen einander jetzt seit mehr als 10 Jahren,
das kleine Mädchen ist zur jungen Frau geworden.
Und fühlt sich immer noch in meiner Werkstatt genau so zu Hause wie - nunja, zu Hause eben. Sogar während der stressigen Maturavorbereitungen fand sie Zeit,
ein paar Stunden zum Arbeiten zu kommen, weil „das so gut tut“.
Beim Mittwochübungskurs habe ich die Teilnehmerinnen
mit genauen Massen und Größenvorgaben herausgefordert.
Keiner ist das so richtig gelungen, geht ja auch gar nicht aufs erste,
aber alle waren sich einig: „Das war jetzt super, da haben wir etwas dazugelernt!“
Eine Freundin schreibt mir, wie sehr sie sich darüber freut,
„… dass du mir gezeigt hast, was für ein wunderbarer Prozess in der Verarbeitung
von Gefühlen durch kreatives Gestalten passieren kann.“
<3
Eine Kursteilnehmerin kommt zum EinsteigerInnenWorkshop
mit der Absicht, einen Blumentopf zu drehen.
Nachdem ich ihr erklärt habe, dass sie zunächst einmal sich und den Ton
zentrieren lernen muss, schaut sie etwas ratlos,
lässt sich aber dann auf das Experiment Drehscheibe ein.
Im Hinausgehen höre ich sie sagen:
„maah, war das jetzt schön, gar nichts zu "machen", einfach nur zu spüren!“
Ich beschäftige mich mit dem Nachlass meiner Mutter.
Dabei bin ich auf einige Mappen mit Zeichnungen und Bildern meines Großvaters gestoßen. Mein Opa war Musiker, Fotograf, Naturliebhaber und eben auch Maler.
Natürlich wusste ich das schon immer, aber jetzt berührt es mich auf eine ganz besondere Art. Diese Skizzen sprechen zu mir.
Sie sprechen von meiner Herkunft.
Sie sprechen davon, Künstler zu sein, die Welt auf eine sehr persönliche Weise wahrzunehmen und das auch auszudrücken. In Bildern.
Ich habe auch Mappen mit Notenblättern.
Ich blättere all diese Mappen durch und überlege, was ich damit machen könnte.
Aufhängen? Einige sicher, aber es sind zu viele.
Aufheben? Einige sicher, aber irgendwie wäre es schade, sie in die Ecke zu stellen.
Ich arbeite damit.
Ich zeichne darauf, ich verwende sie für Collagen und Bilder,
ergänze sie mit den gepressten Blättern von meinen Spaziergängen,
mit von mir gestalteten Elementen und Rahmen.
Es fühlt sich an wie ein Schatz.
Eine Kooperation mit meinem Großvater, der seit mehr als 40 Jahren tot ist.
Und mir zu seinen Lebzeiten nie so nahe war wie er es jetzt durch diese Arbeit ist.
Es stellt sich die Frage: „darf man das?“
Darf man einfach nur spüren?
Darf man Zeit mit etwas verbringen, das einem Spaß macht,
obwohl es „Wichtigeres“ zu tun gäbe? Man eigentlich lernen müsste.
Darf man sich über einen Misserfolg freuen,
weil es einfach ein gutes Gefühl ist, was auch immer dabei herauskommt?
Darf man überhaupt Gefühle haben und die auch ausdrücken? Gestalten?
In den Mittelpunkt einer Arbeit oder eine Zeitlang sogar in den Mittelpunkt des Lebens stellen? Darf man Opas Zeichnungen zerschneiden, übermalen, verkleben?
Sogar auf die Gefahr hin, dass dabei nicht unbedingt nur Meisterwerke entstehen?